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Album der Woche

23. Mai 2024, 19:25 Uhr von Uwe

Die Woche ist relativ vorbei (zum Glück), sie war auch relativ kurz (zum Glück) und das Wetter ist auch relativ brauchbar im Moment. Und Einstein ist trotz relativer Theorien absolut tot. Aber was heißt das schon, relativ? Ist sechs relativ viel oder relativ wenig? Sechs Platten im Schrank? Relativ wenig. Sechs Platten in der verschärften Auswahl zum Album der Woche? Relativ viel. Und damit kommen wir dann auch mal zum Thema, heute gibt es nämlich einen größeren Rundumschlag, weil ich mich einfach mal nicht entscheiden kann.

Es geht um sechs Alben einer Band, die schon seit über 30 Jahren nicht mehr so wirklich existiert, vorher aber Musikgeschichte geschrieben und Grenzen gesprengt hat: Queen. Und deswegen ohne weitere Umschweife zu den Kandidaten für das Album der Woche, denn die beschreiben auch die musikalische Wandlung der Band sehr schön.

Album Nummer eins ist „Queen II“ von 1974. Der Name lässt es vermuten, es war das zweite Album der Band. Es enthält quasi keine der bekannten Welthits und ist auf den Greatest Hits gerade mal mit einem Song vertreten, nämlich Seven Seas Of Rhye (erste Top 10 Single der Bandgeschichte oder so). Damit tut man der Scheibe völlig Unrecht, denn sie gilt in Fankreisen als eines der besten Werke der Band – voller überraschender Wendungen, stilistischer Schlenker und völligem Bombast-Overkill. Die Songs bilden zwei lose miteinander verbundene Suiten und reichen von ergreifenden Balladen (White Queen) bis zu harten Rockern (Ogre Battle). Die Band probiert einfach mal alles aus und wirft sämtliche Genre-Konventionen über Bord. So produziert man natürlich keine Hitsingles, aber eben abgefahrene Musik, die auch Jahrzehnte später noch relevant ist. Sowas kompliziertes wie March Of The Black Queen haben sie später nicht mehr produziert (was nicht heißen soll dass spätere Songs easy listening gewesen wären…) Wer Queen in ihrer wilden Anfangsphase erleben will, sollte sich dieses Album am Stück reinziehen. Das ikonische Coverfoto ist natürlich ebenfalls perfekt.

Noch im gleichen Jahr erschien bereits das Nachfolgealbum „Sheer Heart Attack„, dessen Titelsong indes erst drei Jahre später auf „News Of The World“ landete… Die progressiven Anteile wurden zurückgefahren, die Songs etwas zugänglicher gestaltet, und plötzlich war die Band hitverdächtig. Der Opener Brighton Rock war und relativ (ha!) irrelevant, weil er eigentlich nur den Rahmen für ein ausgedehntes Gitarrensolo bildet, bei dem Brian May gegen sein eigenes Echo spielt. Danach folgt schon die erste große Hitsingle der Band, Killer Queen. Glam Rock at its finest, insbesondere textlich. Danach folgt ein wildes Medley von drei zusammenhängenden Songs, bevor mit Now I’m Here ein ziemlich unterbewerteter Hit folgt, bei dem die Band es so richtig krachen lässt. In eine ähnliche Kerbe schlägt Stone Cold Crazy, was später von Metallica gecovert wurde. Daneben gibt es wie üblich weitere stilistische Ausflüge in alle Genres und Gebiete, die sich sonst niemand trauen würde. Ebenfalls großes Kino, und dass eine Band zwei derartige Alben in einem Jahr auf die Menschheit loslassen kann, sowas gibt es ja heutzutage gar nicht mehr.

Aus dem gleichen Jahr stammen die Aufnahmen von Live at the Rainbow, dass allerdings erst 2014 veröffentlicht wurde. Queen war eine legendäre Liveband, wobei die allermeisten Mitschnitte aus ihrer späteren Stadionphase stammen (Wembley 1986 zum Beispiel). Hier sind sie noch roh und hart rockend unterwegs, mit wilden Kostümen und passender Theatralik und Dramatik. In der Setlist stehen sämtliche relevanten Songs der ersten drei Alben, insbesondere eine erweiterte Fassung von White Queen mit mehr Piano in der Mitte, wohingegen viele andere Songs zu Medleys zusammengefasst wurden. Am Ende wird dann purer Rock’n’Roll zelebriert, indem Jailhouse Rock und andere Klassiker gecovert werden. Das Konzert sollte man sich als Bluray zulegen, die visuelle Komponente war bei Queen ja stets sehr bedeutsam. Für Einsteiger ist das eher nix, weil so gut wie keiner der bekannten Hits enthalten ist, dafür gibt es aber eben viele Songs, die später keinen Platz mehr in der Setlist fanden.

Damit springen wir mal fünf Jahre weiter und landen bei der damals ersten offiziellen Livescheibe der Bandgeschichte – Live Killers. Das war ein Doppel-Livealbum, wie man es in den 70ern halt so machte. Das Coverfoto vor der grandiosen Lichtanlage macht was her (das waren damals noch keine LEDs, ich möchte nicht wissen, wie viel Hitze das auf die Bühne strahlte). Aufgenommen wurden die Songs im Frühjahr 1979, zum Großteil am 2. Februar in Frankfurt. Allerdings (die Auflistung bei Wikipedia zeigt es) wurde da wild herumgemixt und Spuren verschiedener Konzerte in den gleichen Song zusammengeschmissen. Das erzeugt nicht unbedingt ein klanglich gutes Ergebnis, auch die Setlist ist eher eine Sehrgemischtwarenkiste. Spannend ist die schnelle Version von We Will Rock You als Opener (die Version gab es sonst nirgends), danach geht es quer durch die Hits der bis dahin veröffentlichten Alben (die ja die aus Fansicht stärkste Ära der Band bilden) – mit Ausnahme von „Queen II“. Brighton Rock wird gitarrensolistisch auf weit über 10 Minuten ausgewalzt, andere Songs hingegen wurden gekürzt und zu Medleys zusammengefasst (Killer Queen und Bicycle Race sowie I’m In Love With My Car). Es gibt leider bis heute keinen kompletten Mitschnitt eines Konzerts aus den späten Siebzigern als offizielles Tondokument, allerdings unzählige Fan-Edits auf Youtube.

Fünf Jahre später hatte sich der Sound der Band komplett gewandelt. „The Works“ erschien 1984 und markiert den Höhepunkt der kommerziellen Phase der Band. Mindestens zwei Songs gehören dank ikonischer Videos zu den ganz großen Klassikern der Bandgeschichte, auch wenn sie nicht mehr viel mit dem pompösen Rock aus den 70ern zu tun haben – da komme ich gleich noch drauf zurück. Hart gerockt wird allerdings auch, Hammer To Fall und Tear It Up sind zeitgemäß aufpolierte Songs, die zeigen, dass Brian May es gern öfter hätte krachen lassen, während Freddie stilistisch auf ganz anderen Bahnen unterwegs war, woran die Band in jener Zeit beinahe zerbrochen wäre. Is This The World We Created…? und It’s A Hard Life sind nette Balladen, wobei das Musikvideo zu letzterem zum Fremdschämen ist. Die beiden großen Klassiker der Scheibe sind natürlich Radio Ga Ga und I Want To Break Free, wobei das Video zu letzterem der Band in den USA das Genick gebrochen hat – die Bandmitglieder in Frauenklamotten, das war zu viel für die prüden Amis. Die Band verzichtete auf eine Nordamerikatour, was quasi kommerzieller Selbstmord war. Aus bekannten Gründen gab es auch danach nie mehr eine Tour durch Nordamerika.

Damit sind wir beim letzten Album für heute: „The Miracle“ erschien 1989, nach über einem Jahr Aufnahmezeit, und war eine teilweise Abkehr von kommerziellen Sounds, wieder mehr hin zu den progressiven Sachen der 70er. Der Band war klar, dass es aufgrund Freddies fortschreitender Erkrankung keine Liveaktivitäten mehr geben würde, also brauchte man bei den Songs auch nicht mehr darauf achten, ob sie live aufgeführt werden könnten. Das Titelstück ist eine der komplexesten Nummern seit den späten 70ern, ähnliches gilt für Was It All Worth It. Eher locker flockig poppig kommen Rain Must Fall und My Baby Does Me daher, Breakthru ist eine flotte Rocknummer und die absolute Vollbedienung in Sachen Rock gibt es bei I Want It All. Zu fünf Songs wurden teils aufwendige Videos gedreht (Breakthru auf einem Plattformwagen hinter einer Damplok, ziemlich irre, keine Ahnung welche Versicherung das genehmigt hat…)

Was macht man nun mit sechs solchen Alben? Man kann schwerlich eines wirklich weglassen – man würde damit immer wesentliche Punkte der Bandgeschichte ignorieren – die progressiv-pompöse Anfangszeit, der Aufstieg zur Stadion-Rockband, die kommerziell erfolgreiche Phase der Achtziger und die Rückbesinnung auf progressivere Klänge zum Ende der 80er hin.

 

 

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