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Album der Woche

27. Juni 2024, 18:41 Uhr von Uwe

Nachdem ich letzte Woche spontan was umgewürfelt hatte, wird diese Woche wieder schön nach Plan verfahren. Wenn man über 50 Jahre in die Vergangenheit reisen will sollte man halt auch einen ungefähren Plan haben. Denn heute geht es quasi in die absolute Antike der populären Musik des 20. Jahrhunderts.

Und weil es Leute gibt, die mir nachsagen ich hätte keinen Geschmack (mein Bruder zum Beispiel), zitiere ich den bekannten und allseits anerkannten Philosophen Lemmy Kilmister, der noch wusste, wie die Welt vor der Erfindung des Rock’n’Roll ausgesehen hat. Und der hält die in diesem Beitrag vertretene Band für mal eben die wichtigste überhaupt. Dieser Meinung schließen sich andere Musiker an (z.B. Arjen Lucassen oder Steven Wilson), und wer bin ich denn, da anderer Meinung sein zu wollen? Eben.

Achso, um wen geht es eigentlich? Um die Beatles selbstverständlich. Die haben ja wie quasi jeder weiß, der die letzten 60 Jahre nicht verschlafen hat, so ziemlich alles neu definiert, was im populärmusikalischen Bereich je definiert worden ist. Und deswegen lautet die Frage auch nicht „Beatles oder Stones?“ (die richtige Antwort darauf ist übrigens „The Who!“), sondern „A Hard Day’s Night oder Abbey Road“ (die richtige Antwort darauf ist logischerweise die hier).

Hüpfen wir also zurück ins Jahr 1964. Die Beatles haben im Vorjahr den größten Musikhype ausgelöst, den die Welt bis dahin gesehen hat, wo immer sie hinkommen fallen kreischende Teenies in Ohnmacht, die ersten beiden Alben hatten die obersten Chartplätze  blockiert, zwischendrin gab es ständig neue Singles, und nun wurde zu allem Überfluss auch noch ein Kinofilm gedreht – weil die Filmfirma dann die Filmmusik (natürlich von den Beatles) vermarkten konnte, da das rechtlich anders geregelt war als reguläre Albumaufnahmen.

So waren die Fab Four also im Frühjahr 1964 damit beschäftigt, Songs aufzunehmen und parallel bei den Dreharbeiten jede Menge völlig sinnlosen Blödsinn mitzumachen (im Zug das Fenster aufmachen, weil „ein Zug ohne Zug ist kein Zug“ und natürlich diverse Musikszenen im Vollplayback). Im Sommer 1964, vor also inzwischen 60 Jahren, erschien der Film und das dazugehörige Album „A Hard Day’s Night„.

Aus inhaltlicher Sicht relevant ist die Tatsache, dass das Album ausschließlich Kompositionen aus der Feder Lennon/McCartney enthält, darunter natürlich ungefähr drölfzig Riesenhits und Evergreens. Andererseits ist die Musik nach wie vor relativ simple Beatmusik, von den komplexeren Nummern der späteren Jahre ist hier noch nix zu bemerken. Textlich geht es wie nicht anders zu erwarten um die Liebe, die Liebe und … die Liebe.

Das Album beginnt mit dem Titelstück und dieses wiederum mit dem Akkord aller Akkorde, bereits nach der ersten halben Sekunde ist klar, was Sache ist. Und Generationen von Tontechnikern haben versucht herauszufinden, mit welcher Instrumentierung sie diesen Klang hinbekommen haben. Die nächsten fünf Stücke der Scheibe beschäftigen sich dann wie schon erwähnt mit unterschiedlichsten Facetten des mehr oder weniger glücklichen paarweisen Zusammenseins, wobei einiges aus heutiger Sicht austauschbar ist. Heraus sticht I’m Happy Just To Dance With You, weil es von George Harrison gesungen wird, am eingängisten finde ich persönlich eher I Should Have Known Better (mit Mundharmonika) und Tell Me Why. Am Ende der ersten LP-Seite folgt nun noch Can’t Buy Me Love, was bereits als Single erschienen war. Außerdem inspirierte es möglicherweise den bereits erwähnten Philosophen Lemmy Kilmister zum wesentlich tiefsinnigeren Titel Love Can’t Buy You Money.

Auf der zweiten LP-Seite geht es quasi genauso weiter, aus heutiger Sicht stehen die Songs allesamt im Schatten der späteren bahnbrechenden Werke, für erwähnenswert halte ich hier nur Any Time At All wegen des sehr markanten Riffs, wobei das auch wieder arge Ähnlichkeit zu It Won’t Be Long vom vorherigen Album hat, welches wiederum auf der Idee von She Loves You basiert – aber wenn man von sich selbst abkupfert ist es ja kein Plagiat.

Fazit: Ein Klassiker ist es ja allein deswegen, weil eh alle Studioalben der Beatles Klassiker sind, aber insgesamt würde ich es (abgesehen von den genannten Ausnahmen) hinter den ersten beiden Alben einreihen.

Springen wir nun fünf Jahre zurück in die Zukunft (also ins Jahr 1969). Paul McCartney ist angeblich seit Jahren tot, Led Zeppelin haben ihr Debüt am Start, Neil Armstrong spaziert auf dem Mond und die Beatles über einen Zebrastreifen. Das ikonische Covermotiv wurde unzählige Male persifliert, remixt und anderweitig verwendet (die Simpsons, die Minions, Doctor Who, quasi jeder marschierte schon über diesen Zebrastreifen). Allein mit dem Cover haben sie also die Popkultur unendlich bereichert.

Das dazugehörige Album heißt schlicht „Abbey Road„, da liegen sowohl die Aufnahmestudios als auch der Zebrastreifen, und damit können wir nun auch zum Inhalt kommen. Aufgenommen im Sommer 1969 erschien es im Herbst des Jahres, ein reichliches halbes Jahr später waren die Beatles Geschichte – die Aufnahmen zum Album waren die letzten Aufnahmen, die die Band gemeinsam machte.

Die Aufnahmen verliefen – wenn man den Erzählungen diverser beteiligter Personen Glauben schenken kann – relativ konfliktarm, gemessen am vorherigen Chaos der „Let It Be“ Sessions, andererseits stritt man sich durchaus, und die Anwesenheit von Yoko Ono war wohl auch nicht unbedingt hilfreich. Lennon und McCartney hatten sehr unterschiedliche Ideen über die inhaltliche Ausrichtung, und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war Lennon bereits raus, auch wenn das erst im April 1970 publik wurde, als auch McCartney die Band verließ und die Beatles damit endgültig Geschichte waren.

Gut, kommen wir nun endlich mal zum Inhalt, denn der ist ja bis heute relevant: Das Album wird eröffnet von Come Together, dem ersten einer Reihe von ganz großen Klassikern. Direkt danach folgt Something, die wohl schönste Liebeserklärung, die je geschrieben wurde und eine der besten Kompositionen von George Harrison (angeblich geschrieben für seine Frau Pattie Boyd, die später Eric Clapton den Kopf verdrehte und der von ihr zu Songs wie Layla und Wonderful Tonight inspiriert wurde).

Danach geht es etwas holprig weiter, Maxwell’s Silver Hammer ist textlich fies, Oh! Darling sehr emotional, und in Octopus’s Garden darf Ringo singen. Den Abschluss der Seite bildet das überlange I Want You (She’s So Heavy), was irgendwie sehr düster und fett vor sich hin walzt und am Ende mit einer ewig langen Riff-Wiederholung quasi Stoner-Rock vorwegnimmt, bevor die eigentlichen Wegbereiter Black Sabbath überhaupt auf der Bildfläche erschienen waren.

Die zweite Seite beginnt mit einer weiteren Komposition von George Harrison. Here Comes The Sun ist so ziemlich das beste, was er je geschrieben hat und völlig zu recht einer der ganz großen Klassiker der Musikgeschichte. Das folgende Because geht dadurch ziemlich unter, und danach folgt auch schon der letzte Titel des Albums – obwohl auf der Plattenhülle acht weitere Songs angegeben sind. Die gehen aber als Medley alle ineinander über, jeder Abschnitt für sich ist keine zwei Minuten lang, und so folgt hier eine Idee auf die nächste, ohne dass sich komplette Songs nach üblichem Schema ergeben. Damit hat man mal eben Prog-Longtracks wie Supper’s Ready von Genesis vorweggenommen. Passenderweise endet das Medley dann mit The End und den weisen Worten „And in the end, the love that you take is equal to the love you make“.

Fazit: Das Album gehört für mich zu den Top 5 der Beatles-Diskographie und bildet einen mehr als würdigen Abschluss für die so ziemlich wichtigste Band der Popgeschichte.

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